Heiko Mühlena

Ein Leben für den Sport

Bericht von Hinrich Neumann

Der Sillensteder Heiko Mühlena hat nicht nur als Jugendlicher mit zahlreichen Preisen als Turner auf sich aufmerksam gemacht. Später hat er beim Deutschen Sportbund mit den Großen des Spitzensports zusammengearbeitet und war u.a. bei den erfolgreichen Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck dabei – eine außergewöhnliche Karriere, die in Sillenstede ihren Anfang hatte. 

Heiko Mühlena (hier beim Besuch in Jever 2015) hat alle Zeitungsartikel aus seiner aktiven Sportlerzeit aufgehoben. (Foto: Neumann)
Heiko Mühlena (hier beim Besuch in Jever 2015) hat alle Zeitungsartikel aus seiner aktiven Sportlerzeit aufgehoben. (Foto: Neumann)
Es ist das Jahr 1980. In Hausen im Rhönparkhotel nahe der Grenze zur DDR verfolgen mehrere Sportreferenten die Fernsehübertragung des DDR-TV. Das Programm: Die olympischen Sommerspiele in Moskau. Die Männer notieren eifrig Ergebnisse wie Laufzeiten, Sprungweiten und Richternoten. Mitten unter ihnen ist der ehemalige Sillensteder Heiko Mühlena, damals Referent für Leistungssport des deutschen Sportbundes. „Wegen des Boykotts der olympischen Spiele waren unsere Sportler, aber auch bundesdeutsche Kamerateams nicht dabei. Wir haben bei dieser ‚Aktion Adlerhorst’ im DDR-Fernsehen die Spiele verfolgt und aufgearbeitet“, erinnert er sich heute. Die Vertreter des Deutschen Sportbundes haben dann das Leistungsniveau der eigenen Sportler mit den Ergebnissen verglichen, die die Olympioniken in Moskau erzielten und abgeschätzt, welche Platzierung die hiesigen Athleten hätten erreichen können. „Das war wichtig, damit die Sportler trotz der Nichtteilnahme ihre Prämie der Deutschen Sporthilfe erhalten konnten“, berichtet Mühlena.

Kindheit in Sillenstede

Heiko Mühlena war beruflich nicht nur Verbandsfunktionär. Er hat sein ganzes Leben dem Sport gewidmet. Geboren ist er am 1. 9. 1945 in Moorhausen. Sein Vater hatte in Sillenstede ein Bauunternehmen. Heiko sollte einmal in seine Fußstapfen treten und das Geschäft übernehmen. Aber als Heiko in dem Fernseher, den seine Eltern in den fünfziger Jahren schon besaßen, Berichte über die Olympischen Spiele 1956 (Sommerspiele in Melbourne, Winterspiele in Cortina d’Ampezzo) und 1960 (Rom / Squaw Valley) verfolgte, war die Begeisterung für den Sport in ihm geweckt. Er war fasziniert von den Spitzensportlern Helmut Bantz (Turner), Martin Lauer (Leichtathlet), Toni Sailer und Willy Bogner (beides Skirennfahrer). Im Laufe der Jahre richtete er sich im Garten in der Fedderwarder Straße 143 in Sillenstede nach und nach ein kleines Trainingszentrum ein, seinen „Sportpark Sillenstede“. Dort entstand nicht nur eine Skirampe, auf dem er im Winter alpinen Ski übte, sondern auch ein Hochreck, das er mithilfe von Material aus dem Bauunternehmen seines Vaters baute. Dazu kamen ein Barren, Hürden für Hindernislauf, eine Stabhochsprunganlage. Schon in jungen Jahren trainierte Mühlena hier Kunstturnen und Leichtathletik, während die Nachbarskinder ihn fasziniert durch die Hecke beobachteten.

Im Winter lernte er auf den zugefrorenen Seen rund um Sillenstede Schlittschuhlaufen und Eishockey. Mit einem ehemaligen Schulfreund spielte er zudem Fußball, ein Sport, der die damalige Jugend allein schon wegen der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern faszinierte. Er sieht den „Sportpark“ als wichtigen Ausgangspunkt für seine Karriere. „Es hat mir später sehr geholfen, dass ich so vielseitig trainiert hatte“, weiß Mühlena heute.

Anfänge im TUS Sillenstede

Im Jahr 1957 trat er in den TUS Sillenstede ein, der damals auch eine aktive Turnriege hatte. Alljährlich feierte der TUS am ersten Dezemberwochenende sein Stiftungsfest mit einem Schauturnen. Sein Bruder nahm ihn mit zu einer Generalprobe zum Stiftungsfest im Saal des Gastwirts Hetkämper (später Hermann Loschen und heute Kultkrug Sillenstede). Mühlena war fasziniert von den Turnern des TUS Oestringen. Diese hatten damals schon eine eigene Sporthalle und einen richtigen Übungsleiter – also viel bessere Trainingsbedingungen als in seinem Stammverein. Nach der Teilnahme am Stiftungsfest mit Schauturnen im Jahr 1958 wechselte er am 1. April 1959 nach „Überredung“ seines Onkels Ernst Ramke zum TUS Oestringen. Mit diesem Verein feierte er in den folgenden sechs Jahren seine ersten großen sportlichen Erfolge.

Nach seiner Maurerlehre arbeitete Mühlena bis 1966 als Maurergeselle und Polier in Sillenstede und Wilhelmshaven. Aber der Sport hat ihn nicht losgelassen, sodass er diesen Beruf zum Bedauern seines Vaters nicht weiter ausübte, sondern ein Sportstudium in Hannover absolvierte. Währenddessen hat er auch die Hochschulreife nachgeholt und dann später an der Universität Oldenburg Sport und Geografie studiert. Zuerst arbeitete er als Sportlehrer an der Nogatschule in Wilhelmshaven, um dann später als Sport- und Geografielehrer nach Westerstede zu wechseln.

Viele Siege bis zum Niedersachsenmeister

Gleichzeitig blieb er zunächst im TUS Oestringen und später im Verein Frisia Wilhelmshaven dem aktiven Sport treu und machte überregional auf sich aufmerksam: der erste Platz beim Vierstädtewettkampf zwischen Nordenham, Oldenburg, Verden und Wilhelmshaven, der 1. Platz der niedersächsischen Meisterschaft im deutschen Zehnkampf (1973) oder der 1. Platz bei der Bezirksmeisterschaft Westerstede (1974) um nur einige der vielen Platzierungen zu nennen. In all den Jahren blieb er ohne größere Verletzungen: Nur einmal zerrte er sich die Schulter, als beim Ringeturnen in Wilhelmshaven ein Seil riss.

Auch in Funktionen und Ämtern arbeitete sich Heiko Mühlena hoch: So war er Mitglied in der Bezirksriege Oldenburg und in der Niedersachsenriege sowie in der Niedersachsenauswahl, Gau- und Bezirksturnwart Wilhelmshaven bzw. Bezirk Oldenburg und Ausrichter der Niedersachsenmeisterschaften Frauen und Männer im Jahr des Sport 1970 in Wilhelmshaven mit ca. 350 Aktiven. Zwischendurch hat er von 1966 bis 1967 ein viersemestriges Studium am Zentralinstitut für Sporterziehung in Hannover absolviert. Von 1972 bis 1974 war er am Standort Westerstede als Dozent tätig und hat Sportlehrer ausgebildet. Denn in Niedersachsen herrschte zu der Zeit Sportlehrermangel, und so wurden Quereinsteiger für den Schuldienst qualifiziert, darunter auch einer, der später auf dem Mariengymnasium Jever seinen Dienst antrat.
Parallel dazu besuchte Mühlena etliche Fortbildungs- und Trainerlehrgänge und schrieb er mehrere Veröffentlichungen über Sportübungen in den „Lehrbögen für Leibesübungen“.

Umzug nach Frankfurt zum Deutschen Sportbund

Im Jahr 1974 dann las er in der Wochenzeitig „Die Zeit“ eine Stellenausschreibung, die sein Leben verändern sollte: Der Deutsche Sportbund suchte einen Referenten für Leistungssport. „Ich wollte ja immer beruflich etwas mit Sport machen, habe aber noch nicht einmal damit gerechnet, dass sie mich zum Vorstellungsgespräch einladen“, blickt er heute zurück. Doch im Gegenteil: Er erhielt nicht nur die Gelegenheit zum Vorstellungsgespräch, sondern auch die Stelle. Was seinen Arbeitgeber imponierte, war die Vielseitigkeit Mühlenas: Er war nicht nur aktiver Leistungssportler in vielen verschiedenen Disziplinen, sondern hat auch Sporttheorie und vor allem Verbandstätigkeit jahrelang kennengelernt und dabei wichtige Erfahrungen gesammelt. In den folgenden 16 Jahren erlebte der damals 29-jährige, wovon er als Kind schon immer geträumt hatte: Er reiste mit den Spitzensportlern aus ganz Deutschland zu Europa- und Weltmeisterschaften und – was für jeden Sportler der Höhepunkt ist – zu den olympischen Spielen.

Mühlena war oft als Gutachter unterwegs und musste Sportler mit ihren Leistungen einschätzen. Er war zudem als Koordinator für die Sportförderung (Sporthilfe) des Bundesinnenministers zuständig, hat als Gutachter mit dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) bei der Nominierung von Sportlern für die olympischen Spiele oder mit wissenschaftlichen Instituten zusammengearbeitet. Bei den Wettkämpfen arbeitete er für die verschiedenen Sportteams der Bundesfachverbände, er war ganz nah dran an den Großen wie den Kunstturner Eberhard Gienger oder den Eiskunstläufern Katharina Witt, Norbert Schramm und Rudi Cerne. Oder er war dabei, als Skirennfahrerin Rosi Mittermaier bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck Doppel-Olympiasiegerin wurde. Dabei kam ihm zugute, dass er selbst ein guter Skifahrer war. „Ich bin die Rennpiste heruntergefahren und habe zwischen Teilstrecken Lichtschranken aufgebaut, damit wir die Zeiten unserer Sportler mit denen der Weltspitze vergleichen konnten. Abends haben wir dann im Team mit Trainern und Sportwissenschaftlern Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten unserer Skifahrer diskutiert“, erinnert er sich. Heute ist soviel Aufwand nicht mehr nötig, das Fernsehen übernimmt diese Aufgabe.

Er begleitete auch als zuständiger Koordinator für den Tennisbund das deutsche Team beim Daviscup in München und Hamburg, wo der junge Boris Becker spielte. Oder er überreichte 1984 in Deutschland Steffi Graf ihre Urkunde, die sie bei den Olympischen Spielen in Los Angeles gewonnen hatte.
Es kam auch bei den Sportlern gut an, dass er selbst in vielen Sportarten mithalten konnte und daher genau wusste, wovon er redet. In Innsbruck haben die Betreuer und das Presseteam selbst spaßhaft eine Eiskunstlaufkür aufführen müssen. Mühlena schnitt dabei so gut ab, dass ein Pressevertreter des Sportinformationsdienstes scherzhaft schrieb: „Wir sollten Mühlena für die Weltmeisterschaften nachnominieren“!

Boykotts im Kalten Krieg
In seine Zeit beim Sportbund fielen aber auch die düsteren Jahre des Kalten Krieges mit dem Boykott vieler Staaten in Moskau (1980) und dem anschließenden Boykott der Russen 1984 in Los Angeles. 1988 waren zwar die Boykotts vorbei, aber die Olympischen Spiele fanden in Südkorea statt. Deutschland war aus Kostengründen nur mit einer kleinen Abordnung dabei, Heiko Mühlena blieb wie viele andere Funktionäre zu Hause. Dennoch hat er in diesen 16 Jahren sehr viele Länder und Menschen kennengelernt.

Im Jahr 1990 war aber für ihn Schluss, er war des anstrengenden Reisens innerhalb Deutschlands und rund um die Welt überdrüssig geworden. Anschließend machte er sich an seinem neuen Wohnort in Rodgau bei Frankfurt selbstständig und arbeitete als Tennistrainer, Tennishallenmanager und im Winter als Skilehrer.

„Aber alles in allem kann ich sagen, dass meine Karriere in den 50er Jahren in der Fedderwarder Straße in Sillenstede mit meinem kleinen Sportpark begann. Das hat den Grundstein für alles weitere gelegt“, resümiert Heiko Mühlena.

Heiko Mühlena lebte von 1945 bis 2015.